Die
Wucht der Anschläge vom 11. September auf New York und Washington und
die Gewalt der Bilder haben die Interpretationskraft vieler Beobachter
– Journalisten, Wissenschaftler wie Politiker – vor eine fast nicht zu bewältigende Herausforderung
gestellt: Was war „Sinn“ der Anschläge? Keine Organisation bekannte
sich zu der Tat, niemand verkündete den mit ihr verfolgten Zweck. Allein
der hohe Symbolgehalt der Angriffsziele wies darauf hin, dass es sich
nicht um einen Angriff der menschlichen Sprache unkundiger Wesen aus
dem All handelte. Der Attacke fehlte die dumpfe Fatalität einer Naturkatastrophe:
Die Gewalt war erschreckend zielgerichtet.
Kriegserklärung ...
Die reflexhafte und spontane Erklärung durch Journalisten
und Politiker lautete: Es handelte sich um eine Kriegserklärung an die
„zivilisierte Welt“ bzw. die „westliche Zivilisation“. Diese Interpretation
ist nicht nur fragwürdig, weil sie – wie Christian Semler in der taz
bemerkte – „Zivilisation“ und „Westen“ gleichsetzt, sie ist auch
doppeldeutig, insofern sie offen lässt, auf welche Bedeutung der Begriffe
„zivilisierte Welt“ und „westliche Zivilisation“ sie sich bezieht.
Der Symbolgehalt des Pentagon ist, anders als die
des World Trade Center, eindeutig: Es symbolisiert die militärische
Macht Amerikas und damit eine Weltordnung, die von den USA als einziger
Supermacht dominiert wird. Das Pentagon verkörpert den geopolitischen
Status quo, unabhängig von den ideellen Gehalten, die von der amerikanischen
Militärmacht geschützt werden. Das World Trade Center und die Stadt
New York, die es beherbergte, stehen dagegen für Amerika als einer ideellen
Macht, für die „westliche Zivilisation“ als Idee, eine Idee allerdings,
die mehrdeutig ist.
... an die Zivilisation der Aufklärung ...
Auf der einen Seite ist die in Europa entstandene
und nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem von den USA repräsentierte
westliche Zivilisation ein Produkt der Aufklärung: Ihr Kernprogramm
liegt darin, dass jede Tradition, jede Religion, jede Wahrheit, die
nicht der zersetzenden Kraft der kritischen Vernunft standhält, partikular
ist und keine allgemeine Geltung beanspruchen kann. Hieraus ergibt sich
zweierlei- Erstens: Es gibt keinen anderen Ort der Vernunft als das
aufgeklärte Individuum. Das Individuum ist, mit universell gültigen
Rechten ausgestattet, die letzte Instanz, die über wahr und falsch,
gut und böse entscheiden kann, darf und muss (was die Kommunikation
zwischen vernünftigen Individuen natürlich nicht ausschließt). Zweitens: Jede Wahrheit jenseits der Vernunft
wird zur Privatsache, die als solche auch zu tolerieren ist. Es gibt
keine Trennungslinie zwischen Gläubigen und Ungläubigen, sondern ein
Universum unterschiedlicher und prinzipiell gleichwertiger Glaubens-
und Wertesysteme, die sich öffentlich nur begrenzt erörtern lassen.
Die auf der Aufklärung basierende „westliche Zivilisation“ ist daher
gekennzeichnet durch einen „friedfertigen Inklusionswillen, ... austarierten
Pluralismus, das Faible für Mischkulturen und ... einen historisch geschärften
Sinn für die legitime Andersheit Fremder“ (Thomas E. Schmidt in der
Zeit). Das einzige der Aufklärung kompatible Zivilisationsmodell
ist multiethnisch, multireligiös und multikulturell. Dabei wird jeder
Religion und Tradition zugemutet, dass die ihren Absolutheitsanspruch
revidiert und sich damit als Religion und als Tradition,
die ihre Autorität aus ihrer Unhinterfragbarkeit herleitet, demontiert.
Natürlich handelt es sich eher um ein Ideal, möglicherweise
um einen (nicht-linearen und reversiblen Trend), als um einen Zustand.
Gleichwohl kam kaum eine Stadt dieser Welt diesem Ideal so nahe wie
New York, die multikulturelle Stadt par excellence (die ihre
Vielfalt noch einmal eindrucksvoll bei dem Trauergottesdienst im Yankee-Stadium
demonstrierte). Im World Trade Center starben nicht nur weiße Protestanten
angelsächsischer Herkunft, sondern Menschen aller Nationalitäten, Haufarben,
religiösen Bekenntnissen und sozialen Klassen.
... oder den globalen Kapitalismus?
Auf der
anderen Seite symbolisieren New York und das World Trade Center eine von
den USA dominierte zutiefst ungerechte kapitalistische Weltordnung,
in der Einkommen und Lebenschancen zwischen Klassen und Ländern extrem
ungleich verteilt sind, in der täglich Tausende verhungern oder an AIDS
sterben, obwohl es ausreichend Lebensmittel und Medikamente gibt. Der
Respekt vor dem Individuum, den die Aufklärung bekundet, wird vom globalen
Kapitalismus von Ruanda bis Haiti, von Palästina bis Ost-Timor systematisch
dementiert. Die relative Sicherheit und der Wohlstand, die die Bürger
des „Westens“ genießen, sind Ausnahme, Not und Gewalt, die der globale
Kapitalismus produziert oder duldet, die Regel. Daher auch die von vielen
Kommentatoren geäußerte Bemerkung, mit dem Anschlag vom 11. September
sei Amerika verspätet in der „Wirklichkeit“ (synonym: im 21. Jahrhundert)
angekommen.
Die Oberfläche des globalen Kapitalismus stellt sich dar als eine „ungeheure
Warensammlung“, gekrönt von einer Woge kommerzieller Symbole und Bilder
– Firmenlogos wie Nike, MTV oder McDonalds, Hollywood, Michael Jackson,
Disneyland, Baseballkappen, Sexualität, Reklame –, die die Kulturen
dieser Welt unter sich zu begraben droht.
Diese Woge muss in nicht-westlichen Gesellschaften als besonders
bedrohlich wahrgenommen werden. Zum einen hat die Warensymbolik eine
höhere Bedeutung, weil die materiellen Waren selbst oft gar nicht erworben
werden können. Zum andern wird mit den Waren und Symbolen eben auch
die westliche Zivilisation verkauft, die sich auf diese Weise in ihrer
Rolle weltgeschichtlicher Sieger bestätigt. Dies gilt ganz besonders
für islamische Gesellschaften, die auf eineinhalb tausend Jahre Konfrontationsgeschichte
mit dem Westen zurückblicken.
Aufklärung und globaler Kapitalismus einschließlich des von diesem produzierten
kulturindustriellen Schrotts sind aufeinander bezogen. Das verbindende
Glied ist das Individuum, das als Träger der Vernunft letzte
Instanz jeder Wertentscheidung ist, das also auch frei ist, einen Big
Mac zu verzehren.
Die Ziele des Terrors: Nicht der globale Kapitalismus ...
Gegen welche symbolische Gehalte richtete sich der Terror der Anschläge
von New York und Washington? Eine Antwort kann vorab ausgeschieden werden:
Der Terror war nicht – zumindest nicht in erster Linie – gegen eine ungerechte kapitalistische Weltordnung gerichtet, er
steht nicht in der Tradition eines Frantz Fanon, der der Gewalt im antikolonialen
Kampf eine befreiende Rolle zusprach, und auch nicht in der Che Guevaras,
der „zwei, drei, viele Vietnam“ gefordert hatte.
Es waren
nicht die selbsternannten Vertreter der „Verdammten dieser Erde“, die
das Massaker von New York und Washington planten und durchführten; es
waren vor allem Angehörige der Bildungselite der eher wohlhabenden arabischen
Golfstaaten. Ihr Motiv war ganz offensichtlich nicht die Befreiung der
Ärmsten von materieller Not, sondern die Befreiung der moslemischen
Welt von den Nicht-Muslimen bzw. heiligen Stätten des Islam von der
Anwesenheit der Ungläubigen: Religious Cleansing.
...sondern
die Zivilisation der Aufklärung
Der Schlag
gegen das World Trade Center war kein Gegenschlag der Dritten gegen
die erste Welt, sondern in der Tat ein Anschlag auf eine Zivilisation:
Die Zivilisation der Aufklärung und ihre hedonistisch-materialistischen
Symbole. Zweitens zielte er – das zeigt das Angriff auf das Pentagon
– auf die Militärmacht der USA. Die Verbindung beider – des zivilisationsbezogenen
und des geopolitischen Aspekts – macht die neue Qualität des Terrors
aus, die ihn von der selbstreferenziellen Nur-Symbolik etwa der RAF
unterscheidet.
Die Anschläge vom 11. September sind
wirklich Teil eines „Zusammenstosses der Zivilisationen“, wenn auch
nicht der islamischen mit der westlichen Welt. Die entscheidende Konfliktlinie
zieht sich durch beide Welten. Fundamentalismus ist ebenso wenig
ein Geburtsfehler islamischer Gesellschaften wie Toleranz ein immer
währender Aktivposten des Westens ist. Beide Welten sind von einer inneren,
historisch veränderlichen Grenze durchzogen, die sie in „aufgeklärte“
und (der Begriff ist anfechtbar) „fundamentalistische“ Kräfte spaltet.
Das Vorbild für Lessings „Nathan der Weise“, ein
Urtext der Aufklärung, ist Saladin, der Sieger über die Kreuzritter,
die sich ihrerseits als ziemlich barbarische Bande profiliert haben
sollen. Der barbarischste Zivilisationsbruch der Geschichte wurde
im Europa des 20. Jahrhunderts vollzogen, in der Verantwortung
einer der zu jener Zeit wirtschaftlich und technisch fortgeschrittensten
Nationen. Noch heute werden in Deutschland Ausländer erschlagen, weil
sie Ausländer sind. Und auch in den USA hat die westliche Zivilisation
ihre fundamentalistische Unterseite: die christliche Rechte mit ihren
gewaltbereiten Rändern, die antistaatlichen Militia, apokalyptische
und suizidgefährdete Millenniumskulte. Die christlichen Fundamentalisten
Jerry Falwell und Pat Robertson bezeichneten den Terror von New York
als gerechte Strafe für Lasterhaftigkeit und Homosexualität. In den
USA werden nach China die meisten Todesurteile der Welt vollstreckt,
und der Anteil derjenigen, die an Gott und den Teufel glauben, ist in
Amerika höher als in anderen westlichen Ländern; ebenso die Gewissheit,
das Land sei von Gott auserwählt – eine Gewissheit, die paradoxerweise
nach den Massenmorden vom 11. September (erinnert sei an die Messe in
der National Cathedral in Washington) noch einmal besonders dringlich
beschworen wurde. Die westliche Zivilisation liegt – wie jede andere
– in einem permanenten Kampf mit sich selbst, in einer Art Kultur- oder
Zivilisationskampf, der auch mit Gewalt ausgetragen wird. Timothy McVeighs
Anschlag auf das Regierungsgebäude in Oklahoma unterschied sich mehr
in der Dimension als in der Motivation von den Massenmorden des 11.
September.
Die Auseinandersetzung
zwischen Aufklärung und „Fundamentalismus“
ist nicht gleichbedeutend mit einem Kampf zwischen modernen und traditionellen
Kräften. Die Autorität traditioneller Werte und Weltdeutungen
liegt darin, dass sie, in das Alltagsleben der Gemeinschaften eingelassen,
nie hinterfragt wurden. Der Fundamentalismus ethnischer oder
religiöser Natur dagegen ist eine Reaktion auf die Aufklärung
und die Zumutungen der Moderne. Selber modern enthält er das Element
des Trotzes und der Abwehr. Dabei ist er durchaus bereit, sich der technischen
Errungenschaften der Moderne zu bedienen und sie für anti-moderne Zwecke
einzusetzen.
...
und der geopolitische Status Quo
Die Terroranschläge
wurden in den USA als Kriegerklärung interpretiert, als neues Pearl
Harbor, ohne dass sich eindeutig ein kriegführender Staat hätte ausmachen
lassen (auch das Taliban-Regime hat Amerika nicht den Krieg erklärt).
Die Kriegsmetapher trifft sich trotz ihrer Unangemessenheit mit der
Metaphorik des Terrors, der sich selbst als kriegführende Partei interpretiert.
Dieser Krieg hat klare taktische Ziele – in erster Linie die Vertreibung
des amerikanischen Militärs aus Saudi-Arabien –, die sich in ein strategisches
Wahnsystem einordnen: Die Wiederherstellung des Kalifats und die Befreiung
der muslimischen Welt von den „Ungläubigen“.
Die Anschläge
von New York und Washington sollten offensichtlich zeigen, wie hoch
der Preis der amerikanischen Präsenz in der arabischen Welt ist. Frühere
Anschläge auf amerikanische Soldaten im Libanon und in Somalia waren
in dieser Hinsicht vom Erfolg gekrönt gewesen: Die USA zogen sich in
beiden Fällen aus der Krisenzone zurück. Freilich wird kein Terrorist
damit rechnen, dass sich die USA nach dem 11. September aus dem Nahen
Osten zurückziehen. Ein Gegenschlag ist unausweichlich und ist aller
Wahrscheinlichkeit nach auch von den Terroristen gewollt, da er – wenn
er auf den geographischen Ursprung des Terrors im Nahen Osten zielt
– die Destabilisierung einzelner Länder oder der ganzen Region einleiten
könnte, und für eine politisch nicht-etablierte gewaltbereite Kraft
ist Destabilisierung vorteilhafter als Stabilität. Die Politik, die
die USA in der Vergangenheit im Nahen Osten betrieb – vom Sturz Mossadeghs
über die Unterstützung Saddam Husseins im „ersten Golfkrieg“ gegen den
Iran bis hin zur Förderung, Ausbildung, Finanzierung und Bewaffnung
der afghanischen Mudjahedin – legt nahe, dass der Kalkül der Terroristen
aufgehen könnte. Edward Said verglich die USA im Nahen Osten mit Gulliver
im Lande Liliput: Aufgrund seiner schieren Größe ist Gulliver den Liliputanern
haushoch überlegen. Doch er lässt sich in die lokalen Händel der Zwerge
verwickeln und wird damit zu einer solchen Last, dass die verfeindeten
Seiten ihn gemeinsam aus Liliput herausdrängen. Natürlich kann es auch
umgekehrt ausgehen: Der neue kalte oder heiße Krieg gegen den Terror
schafft einen Rahmen, innerhalb dessen die Stabilisierung des Nahen
Ostens zum obersten Imperativ wird – was auch neue entwicklungspolitische
Initiativen möglich macht (s. das Politikinfo Die
Welt im Herbst von
Michael Dauderstädt).
Eine Zeit für Kreuzzüge?
Was ist
zu tun? Eine erste Antwort war: Die Weltordnung muss gerechter werden;
in einer gerechteren Welt würden die Energien, aus denen sich der Terrorismus
speist, erlöschen. In dieser Sicht ist das soziale Dynamit, mit dem
„unser aller Zuhause“ gefüllt ist – „das geballte Leid und Elend verarmter
und enterbter Millionen“ (Zygmunt Bauman) – das eigentliche Problem,
nicht die Terroristen, von denen, immer
genug mit dem Streichholz bereit stehen werden. Wenn es darum geht,
erkennbare Konflikte zu lösen, in denen Menschen ihrer Rechte beraubt
und gedemütigt werden und in denen sich terroristisches Potential aufbaut
– wie zur Zeit in Palästina – ist dieser Haltung zuzustimmen. Die Schaffung
einer „gerechteren Weltordnung“ dagegen würde den Terror kaum aus der
Welt schaffen, da es immer unterschiedliche und konträre Vorstellungen
von Gerechtigkeit geben wird. Den Abbau der materiellen Not und der
Gewalt in der Dritten Welt ist eine Aufgabe, die sich unabhängig von
terroristischen Anschlägen stellt, sie ist Selbstzweck; die Entschärfung
terroristischen Potentials wäre eine erwünschte Nebenfolge.
Der Abbau
materieller Not und Gewalt in den Entwicklungsländern und der sozialen
Ungleichheit im Westen ist ein Projekt, das sich im Rahmen der Aufklärung
realisieren lässt, kein Gegenprojekt gegen die „westliche Zivilisation“.
Die praktische Kritik an dem von den USA repräsentierten und aktiv verfolgten
Muster wirtschaftlicher Globalisierung – eine Kritik, die gerade in
den USA selbst artikuliert wird – ist
Teil dieses Projekts. Wer – wie
Peter Beinart in der New Republic – die Kritik am herrschenden
Globalisierungsmodell in den Verdacht indirekter Komplizenschaft mit
dem Terror bringt, verwandelt eine bestehende Konfliktlinie innerhalb
der „westlichen Zivilisation“ in eine Kriegsfront.
Gefordert
wird auch ein Dialog der Kulturen, insbesondere ein Dialog des
Westens mit dem Islam. Dieser Dialog hat freilich eine Grenze: Das Toleranzgebot
und die universelle Geltung der Menschenrechte sind aus westlicher Sicht
nicht relativierbar; sie sind kein Verhandlungsgegenstand. Unter Voraussetzung
dieser Einschränkung freilich sind beiderseitige Lernprozesse vorstellbar.
Die westlichen Gesellschaften haben selbst an vielen Aspekten ihrer
Zivilisation zu zweifeln begonnen; angesichts der drohenden Kommerzialisierung
des sozialen Lebens bis in die Kindergärten hinein sind sie darauf angewiesen,
auch traditionelle Solidaritätsbeziehungen zu bewahren, zu begründen,
zu erfinden und wiederzuerfinden, wenn auch deren Geltung als Tradition
– als unhinterfragbar – nicht aufrechterhalten werden kann.
Weder
die Verbesserung der Welt, noch der Dialog der Kulturen kann die
Bekämpfung des Terrors selbst ersetzen. Dies wird, wie man jetzt
sieht, ein langwieriger und vielschichtiger Prozess sein, in dem spektakuläre
Medienereignisse (wie der CNN-Krieg am Golf) nicht zu erwarten sind.
Ein Sieg über den Terrorismus würde sich eher als Ausbleiben spektakulärer
Ereignisse manifestieren. Um so größer ist die Gefahr, dass auf symbolische Ersatzhandlungen zurückgegriffen wird, mit denen
die Medien gefüttert werden können, die aber einem Sieg über den Terror
um keinen Schritt näher bringen.
Die größte
Gefahr liegt in der gegenwärtigen Situation darin, dass „der Westen“
auf den Angriff aus dem Lager des islamistischen Fundamentalismus damit
reagiert, dass er – intendiert oder nicht – seine eigene fundamentalistische
Unterseite mobilisiert. Die Zahl der vom Hass motivierten Anschläge
auf Menschen nahöstlicher Herkunft, auf
Moscheen und andere Einrichtungen, nimmt zu. Präsident Bush hat
den Kampf gegen den Terrorismus als „Kreuzzug“ bezeichnet, eine Vokabel,
die er später zurücknahm, die aber auf die reflexartige Spontaneität
verweist, mit der die am 11. September eingeleiteten Auseinandersetzungen
in die Polarisierung Orient-Okzident gestellt werden. Und in Deutschland
erweist sich die Kultur der Denunziation als jederzeit abrufbar: Eine
Asylbewerberin arabischer Herkunft soll abgeschoben werden, weil sie
nach den Anschlägen „Freude“ bekundet haben soll, zwei Lehrerinnen in
Sachsen sollen aus demselben Grund vom Dienst suspendiert werden.
In New
York gab es bislang „so gut wie“ keine Ausschreitungen gegen wirkliche
oder vermeintliche Moslems, und Woody Allen erklärte im Spiegel,
er würde sich lieber von einer Rakete treffen lassen als aufs Land ziehen
– besser kann man es eigentlich nicht formulieren.