“I
want to announce this morning, that I have informed the US
that we
have put all our capabilities under their disposal, and of
our readiness to be part of the international alliance for
ending terrorism against unarmed innocent civilians. Our objective
is securing a world where security, peace and justice prevail.
I will do all my part whatever is necessary to achieve that
goal.”
Präsident Jasser Arafat am 19. September 2001
“The Americans have
moved from one era to another. We haven’t even begun to understand
what happened there. They aren’t thinking about how to defend
Israel, but how to defend themselves in a crazy war.”
Außenminister Schimon Peres bei seiner Rückkehr aus den USA am 24. Oktober
2001
„Arafat has chosen
a strategy of terror and created a coalition of terrorists.“
Premier Ariel
Scharon zum kanadischen Außenminister John Manley am 31.Oktober
2001.
Im Nahen Osten herrscht seit 1948 der Kriegszustand. Teilfriedensschlüsse
Israels mit Ägypten und Jordanien können darüber nicht hinwegtäuschen.
Die Akteure im Nahen Osten führen zuallererst ihren eigenen
Feldzug und stehen erst in zweiter Linie ihren amerikanischen
Freunden gegen die Osama bin Ladens dieser Welt bei.
Seit dem 11. September hat sich die Sicherheitslage in Israel
und den palästinensischen Gebieten nicht beruhigt, sondern
im Gegenteil weiter verschlechtert. Mehrfach und mit immer
längerer Verweildauer drangen die israelischen Streitkräfte
in die so genannten A-Gebiete ein, die unter ausschließlicher
Verwaltung von Arafats Autonomiebehörde stehen. Unverändert
verübten militante Palästinenser Anschläge gegen Israelis.
Israel richtete wieder Rädelsführer des gewaltbereiten palästinensischen
Widerstands „vorbeugend“ durch luftgestützte Todeskommandos
hin. Radikale Islamisten schlugen mit Selbstmordterror zurück.
Vergeblich verlangten die USA Ruhe, die sie benötigen, um
die Allianz im eigenen Krieg gegen Osama bin Laden und die
Taliban nicht zu gefährden.
Aber die israelischen und palästinensischen Kontrahenten
sind auf internationale Partner angewiesen. Ihr Konflikt ist
ohne Vermittlung unlösbar. Israel kann allein mit Hilfe militärischer
und wirtschaftlicher Dominanz keine Lösung erzwingen, die
gegen das UN-verbriefte Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser
steht. Andererseits fehlen der palästinensischen Befreiungsbewegung
jene staatlichen und wirtschaftlichen Machtmittel, um auf
sich allein gestellt zum eigenen Staat zu kommen. Mit dem
Osloprozess hat man sich 1993 für eine Verhandlungslösung
unter US-amerikanischer Schirmherrschaft entschieden, allerdings
ohne zum gewünschten Ergebnis zu kommen.
Israel hat etwas länger gebraucht als PLO und palästinensische
Autonomiebehörde, um zu erkennen, dass die Supermacht USA
nach dem 11. September 2001 einen Strategiewechsel vornehmen
könnte: Neue Prioritäten in der US-Außen- und Sicherheitspolitik
legen stärkere partnerschaftliche Beziehungen mit moderaten
arabischen Regimen und weniger bevorzugte Beziehungen zu Israel
nahe. Der Druck auf Israel, einen lebensfähigen Staat Palästina
neben Israel zu ermöglichen, könnte zunehmen.
Ariel Sharon bezeichnete Arafat wiederholt als Osama bin
Laden des Nahen Ostens. Israel sei schon vor dem 11. September
ein Bollwerk gegen den Terrorismus gewesen und werde diesen
nun härter bekämpfen als je zuvor. Scharon musste aber erkennen,
dass er damit keineswegs auf amerikanischen Beifall stieß.
Als er die USA davor warnte, Israel an die Araber auszuliefern
so wie Europas Demokratien 1938 die Tschechoslowakei Adolf
Hitler geopfert hätten, und
fortfuhr, ein zweites München werde Israel nicht zulassen,
stand er als Störenfried da, der die Aufstellung beim Feldzug
gegen den global operierenden Terror durcheinander brachte.
Jasser Arafat stellte sehr bald nach dem 11. September klar,
es gäbe nichts an der strategischen Entscheidung von 1993
zu rütteln, die USA und damit den engsten Freund Israels zum
wichtigsten Mittler zwischen der PLO und dem Staat Israel
zu machen. Zum Terroristen wollte er sich nicht zurückstufen
lassen. Sicher hatte er dabei noch gut die Folgen der palästinensischen
Entscheidung von 1990 in Erinnerung, im Kuwaitkrieg gegen
eine US-geführte Staatenkoalition die Seite Saddam Husseins
zu wählen.
Eine Neubewertung, was Terror ist und wie er bekämpft werden
muss, gibt es allerdings weder auf palästinensischer noch
auf israelischer Seite. Die Palästinenser streichen noch mehr
als bisher die Ursachen terroristischer Gewalt heraus, die
in der Unterdrückung des palästinensischen Volkes lägen. Die
Israelis streichen noch mehr die Bedrohung heraus, die Terroristen
darstellen. Ihre Bekämpfung sei nötiger denn je, da sie das
Vertrauen in ein Zusammenleben in Sicherheit zerstörten. Ihre
jeweiligen Angebote an die USA zur Terrorbekämpfung erfolgen
auf der Basis unveränderter nationaler Ziele, die sich hinter
der jeweiligen Sicht verbergen. Sie sind eine taktische Anpassung
an die mögliche Neubestimmung amerikanischer Nahostpolitik.
Sicherheit für die eigenen Staatsbürger zu gewährleisten,
gilt als staatliche Grundpflicht. Die Palästinenser, denen
ein eigener Staat verwehrt wird, werden vor allem auch von
den USA aufgefordert, aktiv zur Sicherheit Israels beizutragen.
Die USA, so scheint es, können Israel aber nicht dazu bewegen,
analog für die Sicherheit der Palästinenser einzutreten.
Der 11. September war kein Jubeltag in den palästinensischen
Gebieten, obwohl einige Medien es in den ersten Stunden so
darstellten. Nichtsdestoweniger gab es hier und da heimliche
Freude, dass nun der arrogante Weltpolizist im eigenen Land
erlebte, was man vor Ort ständig erdulden muss: Willkürliche
Gewaltanwendung, die jeden Menschen jederzeit treffen kann.
Die palästinensische Grundeinstellung zu terroristischen
Methoden fußt in erheblichem Maße auf dem, was als historisches
Unrecht und amerikanische Missachtung der von den USA selbst
mit aufgestellten internationalen Gerechtigkeitsregeln bezeichnet
wird. Das Völkerrecht hat sich am 11. September ebenso wenig
geändert wie das palästinensische Leben unter Besatzungsbedingungen.
Solange israelische Militäraktionen täglich zu Toten und Verwundeten
führen, werden auch täglich neu Rachegedanken und gewaltbereite
Täter geschaffen. Wie jüngste Umfragen zeigen, rücken die
Palästinenser keineswegs davon ab, Gewalt als legitimes Widerstandsmittel
anzusehen. Weiterhin wird im „bewaffneten Kampf“ nicht trennscharf
zwischen Gewalt gegen die Besatzer in den besetzten Gebieten
und Terrorakten gegen unbeteiligte Passanten im Kernland Israels
unterschieden.
Die Bewertung von Selbstmordattentaten teilt sich auf in
Abscheu seitens einer Minderheit und Rechtfertigung seitens
einer Mehrheit: Israel provoziere, so heißt es, solchen Horror.
Der Megaterror vom 11. September ordnet sich hier - mit anderer
Gewichtung zwischen Bestürzung und Rechtfertigung - ein. Allgemein
ist man davon überzeugt, dass die bisherige US-Nahostpolitik
den anti-amerikanischen Terrorismus mit hervorgebracht hat.
Das fundamentalistische Regime in Saudi-Arabien zu stützen,
den Irak aber noch zehn Jahre nach dem Sieg der Allianz über
Saddam Hussein zu bestrafen, Israel jährlich mit massiver
Militärhilfe ohne Auflagen aufzurüsten, aber die Bewaffnung
der Staaten im islamischen Bogen von Marokko bis Indonesien
weitest möglich zu bevormunden, Menschenrechtsverletzungen
in diesem Armutsbogen zu beklagen, aber das reiche Israel
von Kritik zu verschonen, alles das gilt als „double standard“.
Bush unterstützt neuerdings in direkten Worten einen palästinensischen
Staat neben Israel. Ein Strategiewechsel wird aber erst daraus,
wenn das Konzept tragfähig ausgestaltet und energisch im politischen
Handeln verankert wird. Schließlich sprachen Netanjahu und
Scharon bereits 1998 - anlässlich des amerikanisch vermittelten
Wye-River-Memorandums - von einem palästinensischen Staat.
Die damalige Beschreibung glich allerdings weniger einem Staat
als einem von den Palästinensern selbst zu verwaltenden Flickenteppich.
Israels jetzige Regierung mit Ariel Scharon und Schimon Peres
an der Spitze ist zutiefst beunruhigt über Bushs mögliche
Wahl. Wenn es sich hierbei um ein Nullsummenspiel handelte,
wäre Israel vom Strategiewechsel negativ betroffen. Wenn Scharon
und Peres auf unterschiedliche Weise auf die USA einzuwirken
versuchen, dann aus dem analogen Kalkül heraus, das Arafat
frühzeitig anstellte: Die USA haben ebenso sehr die Macht
zur Obstruktion wie zur Durchsetzung eines zweiten Staates
neben Israel. Bush muss daher davon abgehalten (bzw. in den
Augen Arafats davon überzeugt) werden, das palästinensische
Recht auf einen eigenen Staat weniger nach israelischen und
mehr nach arabisch-palästinensischen Vorstellungen durchzusetzen.
Seit dem 11. September spitzt sich der palästinensisch-israelische
Konflikt zu, dreht sich die Gewaltspirale weiter. Mit zunehmendem
Abstand zum 11. September wird der Kraftaufwand für
eine neue US-Strategie und die regionale Anpassung daran größer.
Die Konflikteskalation bestätigt nämlich die geschilderten
Wahrnehmungsmuster von Terror: Als Reaktion auf die Willkür
der Besatzungsmacht oder als Beweis der Friedensunfähigkeit
des Arafat-Regimes.