FES-Stipendiat_innen stellen sich vor

Raziye, FES-Stipendiatin in der Promotionsförderung

Du engagierst dich nicht nur bei der Flüchtlingshilfegruppe der Ruhr-Uni Bochum, sondern auch in einem Krefelder Kinderheim, wo du Kinder in ihrem naturwissenschaftlichen Forschungsdrang unterstützt. Warum hast du dich speziell zu diesen Engagements entschlossen?

Da ich selbst in meinem Leben viel Unterstützung erfahren habe und ohne diese Unterstützung nie so weit gekommen wäre, ist es für mich besonders wichtig, viel zurückzugeben. Gerade die Arbeit im Kinderheim ist für mich sehr wichtig, weil es mein Zuhause ist. Als ehemaliges Heimkind weiß ich nur zu gut, mit welchen Vorurteilen man zu kämpfen hat und wie schwer es einem fällt, sich eine gute Zukunft vorzustellen. Für die Jugendlichen im Heim wirkt alles oft trist und verloren. Es ist für mich ein großer Wunsch, dagegen anzusteuern und die Kinder zu begeistern und zu ermutigen, dass alles möglich ist, wenn man es versucht. Außerdem ist es für mich total wichtig, dass die Kinder wissen, dass sie Menschen haben, die an sie glauben. Mit meinem Projekt möchte ich Kindern spielerisch die Naturwissenschaften näher bringen, den Spaß am Lernen verstärken und vor allem die Neugierde auf Wissen wecken. Den Jugendlichen versuche ich zu helfen, indem ich ihnen erzähle, welche Möglichkeiten sie haben und versuche, sie auf ihre Talente aufmerksam zu machen. Das Wichtigste an Erfolg ist meiner Meinung nach, der Glaube an sich selbst und genau der muss gestärkt werden.

Genauso war es mit meiner Arbeit in der Flüchtlingshilfegruppe. Auch dort habe ich viele Menschen mit sehr viel Potenzial kennengelernt. Diese Menschen haben ihr Zuhause verloren und versuchen für sich und ihre Familien ein neues Zuhause aufzubauen, dabei brauchen sie Unterstützung. Da ich allerdings gesehen habe, dass dieses Projekt viele Helfer_innen hat, betätige ich mich im Moment bei einem anderen Projekt. Nachdem das Grundstipendium der FES beendet war und ich mich für das Promotionsstipendium bewerben musste, fing eine schwierige Zeit an, denn ich hatte keine Finanzierung für diesen Zeitraum, habe aber dennoch Vollzeit im Labor arbeiten müssen. In dieser Zeit habe ich mich um ein Übergangstipendium der Henkel-Stiftung bemüht, welches ich glücklicherweise  bekommen habe. Den Rest habe ich mir durch einen Nebenjob an der Uni verdient. Da ist mir erst bewusst geworden, wie schwer die Finanzierung einer Promotion sein kann. Aus diesem Grund versuche ich angehenden Promovierenden oder bereits Promovierenden aus dem Ausland zu helfen. Es hat sich herausgestellt, dass sie es noch viel schwerer haben, ein solches Stipendium zu bekommen, da viele von ihnen nicht der deutschen Sprache mächtig sind und nur Englisch sprechen.

Du warst Sprecherin des Arbeitskreises MINT der FES. Möchtest du etwas über die dortige Arbeit erzählen?

Leider bin ich nicht mehr Sprecherin des Arbeitskreises MINT, aber ich habe die Arbeit sehr gerne gemacht und dadurch sehr viel dazugelernt. Eine besondere Aufgabe war es für mich, den AK auf der BVK zu vertreten. So habe ich nicht nur tiefe Einblicke in die Strukturen des FES bekommen, sondern mich auch mit Themen und Strukturen befasst, die sonst nicht zu meinem Studium gehören. Das fand ich sehr spannend. Ich hatte immer sehr große Freude daran, an den Treffen des AKs teilzunehmen und diese auch zu organisieren. Durch die Treffen in kleineren Gruppen hatte man die Möglichkeit, sich intensiv auszutauschen und voneinander zu lernen. Gerade weil es so interdisziplinär ist, fand ich die AK-Treffen immer sehr spannend.

In deinem Bachelorstudium bist du ziemlich durchgestartet, jetzt promovierst du in Neurobiologie in einem Fast-Track-Programm (direkter Einstieg in die Doktorarbeit ohne Masterstudium). Woher kommt diese Power?
Ich würde es gar nicht als Power bezeichnen. Es macht mir einfach großen Spaß und ich glaube, wenn man etwas gerne macht, kann man das auch gut. Es war immer mein Wunsch zu forschen, Neues zu entdecken, Rätsel zu lösen und genau das tue ich jetzt. Die Funktion unseres Körpers und vor allem das Netzwerk unseres Gehirns, hat mich schon als Kind fasziniert. Als mir am Ende meiner Bachelorarbeit der Fast-Track-Studiengang angeboten wurde, habe ich diesen dankend angenommen, weil mir bewusst wurde, dass ich auf diesem Weg direkt ins Labor kann, um selbstständig an einem Projekt forschen zu dürfen. Schon in meiner Bachelorphase wollte ich direkt selbstständig arbeiten und mir eigene Strategien und Experimente überlegen. Ich hatte einfach Spaß daran und die positiven Resultate haben mich stets noch mehr bestärkt. Im ersten Jahr des Fast-Track-Studiengangs habe ich neben der Laborarbeit meine  Mastermodule und -prüfungen absolviert. Dies war zwar anstrengend, aber meine Arbeit im Labor hat mir sehr viel Kraft gegeben, so dass ich immer mehr Lust auf meine Arbeit bekommen habe.  Außerdem habe ich das Glück, sehr viele liebe und hilfsbereite Menschen im Labor als Kolleg_innen zu haben. Auch im Labor wird Unterstützung bei uns großgeschrieben. Bei auftretenden Problemen finden wir gemeinsam Lösungen und versuchen diese gemeinsam anzugehen. Auch da sieht man, dass gegenseitige Unterstützung sehr wichtig ist.

Raziye promoviert in Neurobiologie in Bochum und ist seit 2015 Promotionsstipendiatin der FES. Davor war sie bereits in der FES-Grundförderung.

Henrik, FES-Stipendiat in der Grundförderung

Wer bist du?

Mein Name ist Henrik Buschmann und ich studiere in Göttingen seit dem Wintersemester 2014/15 Volkswirtschaftslehre und Politikwissenschaft. (Ich habe mit dem VWL begonnen, habe dieses Studium dann aber „abgebrochen“ und in den 2-Fach- Bachelor VWL-Politik gewechselt).

Du selbst bezeichnest deinen Weg zum Stipendium als „nicht schnurgerade". Magst du etwas darüber erzählen?

Ich wurde wegen meiner Legasthenie nicht auf ein Gymnasium geschickt, sondern habe die Realschule besucht. Dort war ich in der sechsten Klasse versetzungsgefährdet, stand in Deutsch, Englisch und Französisch auf fünf. Irgendwie habe ich da aber die Kurve bekommen und wurde versetzt. Bis zur achten Klasse war ich wahrscheinlich einer der anstrengendsten Schüler in der Schule. Da kam es dann auch zu ein paar Anrufen bei meinen Eltern.

Ende der achten Klasse änderte sich jedoch alles für mich. Bei mir wurde ein Herzfehler diagnostiziert, was mir als begeistertem Sportler den Boden unter den Füßen weggerissen hat. Ich durfte schlagartig kein Sport mehr machen, weder in der Schule noch in der Freizeit. In den Sommerferien wurde ich dann am Herzen operiert.

Als ich danach wieder in die Schule zurückkam, habe ich das Unvernünftige abgelegt. Die Realschule schloss ich dann als Jahrgangsbester ab. Ich habe nie wirklich mit dem Gedanken gespielt zu studieren und wollte eigentlich eine Ausbildung im mittleren Dienst beim Finanzamt anfangen. Dort wurde ich jedoch nicht berücksichtigt, da ich noch zu jung war und nicht mit dem Auto zur Ausbildungsstelle fahren konnte. Finanzielle Sicherheit war mir sehr wichtig, deswegen habe ich noch länger über an eine Karriere beim Finanzamt nachgedacht. Dass ich mich dann letztlich für ein Studium entschieden habe, liegt daran, dass ich viel Unterstützung erfahren habe - durch das Stipendium auch finanzielle.

Du warst der Erste in deiner Familie, der studiert. Gab es jemanden, der/die dich besonders zum Studium ermutigt hat?

Letztendlich natürlich meine Eltern. Obwohl wir nie wirklich viel hatten, wurde und werde ich so gut wie möglich von zu Hause  unterstützt, im Gegenzug unterstütze ich jetzt auch meine Eltern.

Väterlicherseits sind fast alle bei uns im Handwerk tätig und mein Vater hat mir recht schnell klargemacht, dass ich auf gar keinen Fall im Handwerk arbeiten sollte – zumindest nicht im praktischen Teil. Zwar bekomme ich das Handwerkliche einigermaßen auf die Reihe, da ich aber viel lieber plane und mir Gedanken über die Zusammenhänge mache, wäre ich als Dachdecker oder Trockenbauer wohl eher unglücklich geworden. Den stärksten Antrieb habe ich aber  von meinem Deutsch- und Geschichtslehrer auf der Realschule bekommen. Er hat es geschafft,  mein politisches Interesse zu wecken und mich gefördert. Sein Lebenslauf ist noch deutlich verwobener als meiner, ich glaube das hat den Ausschlag gegeben. Er hat mir gezeigt, dass ich schaffen kann, was ich will, wenn ich nur will. Er ist ein total vielseitiger und engagierter Mensch, der sich um alle seine Schüler_innen kümmert und darauf bedacht war, auch die Leistungsschwächeren an die Hand zu nehmen.

Welche Art von Unterstützung hättest du dir zu Schulzeiten gewünscht?

Ich hätte mir gleiche Chancen gewünscht. Nicht nur für mich. Ich kenne Kinder, die ohne Schulbrot zur Schule gekommen sind. Viele Familien hatten Probleme, das Büchergeld oder die Klassenfahrten bezahlen zu können. Als Kind ist es einem gar nicht so bewusst, aber die Größe des Geldbeutels, die Ausstattung des Schulranzens und Nachhilfeunterricht entscheiden über einiges im Leben- leider oft auch darüber, ob man sich für ein Studium entscheidet oder nicht.

Warum passt die FES zu dir?

Die FES hat eine lange Tradition der Arbeiter_innenförderung und ich sehe mich selbst als Arbeiterkind. Ich vertrete die Grundwerte der Sozialen Demokratie und bin mir nicht zu schade für diese immer und überall einzutreten. Momentan  wirke ich zum Beispiel als Teamer für die Rechtsextremismusausstellung und die EU & DU-Kampagne der FES an Schulen und anderen Bildungseinrichtungen mit, weil ich es extrem wichtig finde diese Werte und auch das Wissen an die jungen Schüler_innen weiterzugeben und auch als eine Art Beispiel für die Schüler_innen und Studierenden zu fungieren.

Du bist selber als Stipendien-Botschafter aktiv und informierst über die FES-Stipendien – warum liegt dir dieses Engagement besonders am Herzen?

Weil ich nicht diesen „schnurgeraden“ Weg zum Studium und zur FES hatte und weil ich davon überzeugt bin, dass wir alle zusammen mehr schaffen können! Bildung ist dabei der Schlüssel zum Erfolg und von Haus aus weiß ich, dass Bildung – gute Bildung – leider auch eine Sache des Portemonaies ist.

Ich habe selbst nur durch Zufall von der FES erfahren, da mir jemand riet, mich dort zu bewerben, weil ich ohnehin schon sehr stark ehrenamtlich engagiert war. Ich möchte dazu beitragen, dass Menschen, die es verdienen gefördert zu werden, auch gefördert werden. Und ich freue mich immer wieder, wenn ich von Schüler_innen angeschrieben oder nach Veranstaltungen angesprochen werde. Wenn diese Schüler_innen dann eine ähnliche Bildungsbiografie wie ich haben, weiß ich, dass meine Arbeit als Botschafter Früchte trägt und ich zur Gerechtigkeit beitragen konnte. Bildungsgerechtigkeit und die damit verbundene Chancengleichheit, sind mir sehr wichtig und ich möchte Schüler_innen und Studierenden zeigen, dass sie es schaffen können.

 Du bist Sprecher der Hochschulgruppe Göttingen. Wie sieht die HSG-Arbeit aus?

Seit einigen Jahren bin ich einer der Sprecher der Hochschulgruppe (HSG) in Göttingen. Die meiste Zeit wende ich auf, um den Kontakt zu anderen Stiftungen und Gruppen aufrechtzuerhalten. Daraus ergeben sich immer wieder Veranstaltungen, die geplant werden müssen. Außerdem befinde ich mich stets in einem engen Austausch mit dem FES-Landesbüro Niedersachsen und versuche interessante Veranstaltungen nach Göttingen zu bringen. Zuletzt hat das im April geklappt, da durfte ich dann eine Podiumsdiskussion im Namen der FES moderieren. Sonst halte ich viel Kontakt mit der Abteilung Studienförderung und versuche immer ein offenes Ohr für unsere Stipis hier vor Ort zu haben und die Interessen bei der Abteilung Studienförderung einzubringen.

Das „Tagesgeschäft“ kann auf die Stammtische oder andere Treffen der HSG sowie die Infoveranstaltungen reduziert werden. Meist bereite ich die Stammtische vor und leite und/oder moderiere sie. Bei den Informationstagen kümmere ich mich darum, dass wir einen Stand haben, um die Schüler_innen oder Studierenden informieren zu können.

Bist du gerne FES-Stipendiat?

Ja! Absolut!! Die FES ist der Grund, dass ich studieren kann. Ansonsten wäre es finanziell ziemlich eng bei mir geworden. Die FES hat mich mit dutzenden interessanten Menschen in Deutschland und der Welt in Kontakt gebracht. Ich konnte mich fachlich und menschlich in den Jahren bei der FES weiterentwickeln und werde hoffentlich als Ehemaliger eine Hilfe für die aktuellen Stipis sein können.

Es ist sehr schön zu sehen, dass die FES Demokrat_innen zusammenbringt, die die Grundwerte der Sozialen Demokratie teilen. Ich glaube, in Zeiten wie diesen ist es wichtig, dass man zusammenhält, um dem gesellschaftlichen Druck einer stärker werdenden politischen Extreme etwas entgegenzusetzen.Wer etwas bewegen will, muss handeln und ich glaube, die FES ist ein guter Ort, um damit zu starten.

Henrik studiert VWL und Politik in Göttingen und ist Stipendiat in der FES-Grundförderung.

Miriam, ehemalige FES-Stipendiatin in der Grundförderung

Miriam, die FES hat dein Masterstudium in Economics in Tübingen gefördert, das du als Jahrgangsbeste abgeschlossen hast. Glückwunsch dazu! Was wir fragen möchten: Du hast dich erst nach dem Bachelor um ein Stipendium bei der FES beworben. Was hättest du gebraucht, um dich schon früher zu bewerben?

Eigentlich ist alles, was ich gebraucht hätte, nur ein bisschen Mut. Ich bin in keinem sehr akademisch geprägten Umfeld aufgewachsen und Stipendiat_innen waren für mich so was wie Übermenschen, die 100 Ehrenämter gleichzeitig bekleiden und nebenher noch ganz locker Spitzennoten am Fließband produzieren. Diese Vorstellung hat mich ganz schön eingeschüchtert. Glücklicherweise habe ich durch mein Ehrenamt in Tübingen einige Stipis kennengelernt und gemerkt, dass wir mehr Gemeinsamkeiten haben, als ich dachte. Viele kommen, genau wie ich, nicht aus klassischen Akademiker_innrnfamilien und hatten zu Beginn ähnliche Probleme, sich im Umfeld der Uni zurechtzufinden, investieren aber viel Zeit und Mühe in ihr Studium, weil es einfach ein riesiges Privileg ist, studieren zu können. Letztlich haben mich diese Stipendiat_innen dazu ermutigt, mich bei der FES zu bewerben - und es hat geklappt! Aufgrund meiner Erfahrung habe ich nach meiner Aufnahme auch bei vielen Informationsveranstaltungen mitgewirkt, denn niemand sollte die Chance auf ein Stipendium verpassen, nur weil das letzte bisschen Mut fehlt.

 

Hast du dich bei der FES wohlgefühlt?

Absolut! Schon beim Einführungsseminar in Bonn habe ich gemerkt, dass die FES bei der Auswahl ihrer Stipendiat_innen viel Wert darauf legt, dass sie auch wirklich zur Stiftung passen. Zwar sind wir bezüglich unserer Herkunft, Fachbereiche und Interessen ein kunterbunter Haufen, wir stehen aber alle für dieselben Werte ein und engagieren uns in ganz vielfältiger Weise dafür, dass diese Werte in der Gesellschaft gestärkt werden. Das merkt man auch im Umgang miteinander: Uns allen sind Toleranz und gegenseitiger Respekt enorm wichtig, deshalb laufen unsere Diskussionen - wenn auch manchmal hitzig - immer auf konstruktiver Basis ab. Zumindest meiner Erfahrung nach hält sich keiner für etwas Besseres, man begegnet einander immer auf Augenhöhe. Das war für mich ein ganz wichtiges Kriterium dafür, dass ich mich in der Stiftung wohlfühle. Man merkt auch, dass der Solidaritätsgedanke tief in der FES verwurzelt ist, denn bei Fragen und Sorgen verschiedenster Art findet man immer schnell eine Anlaufstelle im riesigen FES-Netzwerk.

 

Du hast deine Masterarbeit über Veränderungen im Beschäftigungssektor und deren Einfluss auf die Einkommensverteilung geschrieben. Das ist ein Thema, das unmittelbar den Grundwert der Gerechtigkeit anspricht. Was bedeutet Gerechtigkeit für dich persönlich und als FES-Stipendiatin?

Gerechtigkeit bedeutet für mich, dass jede_r die Chance hat, sich gemäß seiner/ihrer Wertvorstellungen, Talente und Interessen zu entfalten - und zwar unabhängig von Dingen, die man nicht beeinflussen kann. Als Ökonometrikerin befasse ich mich vor allem mit Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt und muss leider oftmals in meinen Daten feststellen, dass solche Faktoren - wie zum Beispiel die Herkunft oder das Geschlecht - noch immer einen Einfluss auf die Einkommensverteilung haben. Da das mitunter sehr ernüchternd sein kann, setze ich mich durch mein ehrenamtliches Engagement beim Tübinger Verein "Mach Schule e.V." auf lokaler Ebene für Bildungsgerechtigkeit ein. Natürlich ist das auch ein zentrales Thema bei der FES, schließlich unterstützt sie ganz gezielt junge Menschen beim Studium, die ansonsten im Leben oftmals Benachteiligung erfahren müssen. Damit leisten Stiftungen wie die FES einen Beitrag zu Chancengerechtigkeit - und damit dazu, dass ich in Zukunft hoffentlich eine gerechtere Einkommensverteilung in meinen Daten sehen kann.

Miriam hat Economics in Tübingen studiert und war während ihres Masterstudiums FES-Stipendiatin in der Grundförderung.

Annika, FES-Stipendiatin in der Grundförderung

Du bist Landesvorsitzende der Berliner Jusos. Wie schaffst du es, dein politisches Engagement mit dem Studium - du bist im Masterstudium Sozialwissenschaften - zu verbinden?

Das Studium und ein so zeitintensives Ehrenamt wie den Juso-Landesvorsitz unter einen Hut zu kriegen, ist eine Herausforderung. Leider bleibt dabei wenig Zeit für anderes. Was mir dabei hilft, das trotzdem zu schaffen, ist zum einen meine persönliche politische Motivation, etwas gegen die bestehenden ungerechten Verhältnisse zu unternehmen und die vielen tollen Menschen, die diese Motivation teilen und mit mir gemeinsam daran arbeiten. Zum anderen hilft mir auch die finanzielle Unterstützung durch das Stipendium der FES. Wenn ich noch in größerem Umfang einer Erwerbsarbeit neben dem Studium nachgehen müsste, um meinen Lebensunterhalt zu sichern, wäre es kaum möglich, den Juso-Landesvorsitz so auszufüllen wie ich das gerade tun kann.

Was ist für dich das Wichtige an Sozialer Demokratie? Was motiviert dich, für Soziale Demokratie einzutreten, als Politikerin und als FES-Stipendiatin? 

Gesellschaft ist von Menschen gemacht und somit auch die bestehenden Ungleichheiten. Das bedeutet aber auch, dass wir Menschen diese verändern können. Ich bin der Auffassung, dass wir heute alle Voraussetzungen haben, um eine Gesellschaft aufzubauen, in der alle Menschen frei, gleich und (international) solidarisch miteinander leben können. Für mich bedeutet das Eintreten für eine Soziale Demokratie einen Kampf für die Überwindung kapitalistischer Ausbeutungsstrukturen, die Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit und internationale Solidarität, eine demokratische und nachhaltige Wirtschaftsweise und soziale Sicherheit. Wenn wir die Möglichkeit dazu haben, diese Ziele umzusetzen, dann halte ich es für notwendig und geboten, sich auch dafür einzusetzen, dass diese Chance ergriffen wird.

Du warst 2017 mit dem Rettungsschiff Sea Eye im Mittelmeer, um Flüchtende vor der libyschen Küste aus Seenot zu retten. Wie beurteilst du die Geschehnisse im Sommer 2018, als mehreren Seenotrettungsschiffen das Ansteuern von Häfen auf Malta und in Italien verboten wurde? 

Ich finde die Barbarei auf dem europäischen Mittelmeer nach wie vor unfassbar. Kaum zu glauben, dass wir mittlerweile ernsthaft darüber diskutieren, ob Menschen vor dem Ertrinken gerettet werden sollten oder nicht – und ob man Menschen sogar wieder in die libyschen Foltercamps zurückschicken sollte. Das ist unmenschlich. Die Rettungsschiffe und Aufklärungsflugzeuge liegen zum Teil völlig ohne Rechtsgrundlage an der Kette. Es ist ziemlich offensichtlich, dass die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union hier miteinander Verantwortungs-Ping-Pong betreiben. Niemand möchte sich bereit erklären, die aus Seenot geretteten Menschen aufzunehmen. Da ist die einfachste Lösung, die Schiffe der NGOs festzusetzen, damit einfach keine Menschen mehr gerettet werden und niemand das Elend auf dem Mittelmeer dokumentieren kann. Dieses Agieren ist der sogenannten „Werteunion“ völlig unwürdig. Es macht mich wütend und ich verstehe auch nicht, wie die Sozialdemokratie in dieser Situation einfach die Füße stillhalten kann. Wir dürfen nicht länger zulassen, dass Menschen an den EU-Außengrenzen sterben.

Annika studiert Soziologie in Berlin und ist FES-Stipendiatin in der Grundförderung.

Jessica, ehemalige FES-Stipendiatin in der Grundförderung

Du bist Erstakademikerin. Wer oder was hat dir Mut gemacht, dich für ein Stipendium zu bewerben?

Ich bin die erste in der Familie und Verwandtschaft, die studierte, infolgedessen waren für mich Zugang und Möglichkeiten eines Studiums lange Zeit nicht selbstverständlich, auch wenn ich durchaus daran interessiert war zu studieren. Dass es Stipendien „für Begabte“ gibt, hatte ich schon einmal gehört, aber für mich nicht als realistische Option betrachtet und daher zunächst nicht in Erwägung gezogen. Es waren mehrere Umstände die mir schließlich dazu verhalfen. Ein engagierter Freund sowie meine damalige Chefin erkannten mein Potenzial und ermutigten mich sehr, meinen Traum vom Studium nicht aufzugeben. Ich informierte mich in Beratungsstellen und im Internet, sprach mit Freunden und Bekannten über meine Möglichkeiten, ein Studium aufzunehmen und zu finanzieren. Den entscheidenden Impuls zur Bewerbung auf ein Stipendium erhielt ich durch ein Gespräch mit einem damaligen Stipendiaten. Dieser hatte sich ausgiebig Zeit für meine Fragen genommen, mich über die Voraussetzungen und die Idee eines Stipendium informiert und mich schlussendlich davon überzeugt, dass ich die erforderlichen Voraussetzungen mitbringe und somit einen Versuch wagte.

Wie fühlt man sich, wenn man nach dem Realschulabschluss, einer Ausbildung und dem Fachabi das erste Mal an einer Universität aufschlägt, um ein Studium zu beginnen? Wie hat dich die FES dabei unterstützt?

Es mag vielleicht komisch klingen, aber für mich war die Universität lange Zeit ein „mystischer Ort“ und die Vorstellung, zu studieren unwirklich und ungreifbar. An meinem ersten Tag in der Einführungswoche war ich in jeder Hinsicht überwältigt. Angefangen von der Architektur, den imposanten Hörsälen und den vielen Student_innen, Wissenschaftler_innen und Professor_innen auf dem Campus. Obwohl ich sehr neugierig und auch stolz war es an die Universität geschafft zu haben, fühlte ich mich doch irgendwie fremd und ein wenig unsicher. Die anderen Studierenden schienen sich meiner Wahrnehmung nach ganz selbstverständlich an diesem Ort aufzuhalten, ich brauchte etwas Zeit, um mich mit der Universität vertraut zu machen. Da ich in meinem ersten Semester noch als Erzieherin in einer Krippe arbeitete, um mir das Studium zu finanzieren, fehlte mir häufig auch die Zeit, das Studium und die Universität als neuen Sozialraum zu erkunden und für mich wahrzunehmen. Die Zusage der FES nahm mir eine große Last von den Schultern. Ich hatte das erste Mal das befreiende Gefühl, optimistisch in die Zukunft schauen und mich ganz auf das Studium konzentrieren zu können. 

Du hast an der Uni Kassel den Bachelor Soziale Arbeit erworben und hast dann parallel zum Master Sozialpädagogik ein Lehramtsstudium begonnen. Seit 2018 bist du im Referendariat, dein Ziel ist es, Berufsschullehrerin für Sozialpädagogik und Politik und Wirtschaft zu werden. Wie würdest du die Rolle der FES während deines Studiums insgesamt beschreiben?

Die Unterstützung der FES geht weit über die finanzielle Absicherung hinaus. Ich habe die FES und damit all die engagierten und unglaublich herzlichen, aufgeschlossenen und motivierten Menschen, wie meine Betreuerin, meine Hochschulgruppe, Stipendiat_innen aus anderen Bundesländern und Gruppen, Vertrauensdozent_innen und viele mehr, als eine große „Familie“ wahrgenommen, die einen sicheren und kontinuierlichen Rahmen bilden. Von den unterschiedlichen Persönlichkeiten, Kompetenzen und Perspektiven konnte ich immer wieder profitieren und mich selbst weiterentwickeln. Gerade die Erfahrungen von Rückhalt und konstanten Ansprech- und Vertrauenspersonen, waren für mich eine wichtige Form der Unterstützung, dabei schien keine Frage fehl am Platz zu sein, ob es nun darum ging persönliche oder organisatorische Hürden des Studierens zu meistern. Die positive Resonanz einer solch solidarischen Gemeinschaft habe ich als unglaublich wertvoll empfunden und sehr geschätzt. Ich würde die Rolle der FES daher als Entwicklungsbegleiterin verstehen, die durch Angebote und Gespräche Wege eröffnet und einem gleichzeitig die Freiheit überlässt, selbst zu entscheiden, welcher Weg der Richtige ist.

Jessica hat Soziale Arbeit und Sozialpädagogik studiert und war FES-Stipendiatin in der Grundförderung.

Raisan, FES-Stipendiat in der Grundförderung

Du bist Fotograf. Ein Foto von dir, das auch in einer Ausstellung zu sehen war und prämiert wurde, heißt „Der Riss“. Was hat es mit diesem „Riss“ auf sich?

Ich habe das Bild 2013 im Irak aufgenommen. Ich war gerade in ein neues Haus in Mossul umgezogen, das sehr baufällig war und noch viel Renovierungsbedarf hatte. Die unverputzten Wände habe ich immer wieder fotografiert, hunderte Fotos sind in diesem Haus entstanden. Dieses eine von einem Riss in einer Wand habe ich ausgewählt, weil die Form des Risses an ein menschliches Gesicht erinnert, ein schreiendes Gesicht. Dieser durch den Riss gezeichnete Schrei, ein Schrei nach Freiheit, war für mich das Symbol des arabischen Frühlings, der genau zu jener Zeit stattfand, als ich das Foto machte. Die Auszeichnung bekam das Foto auf einer Ausstellung in Tunesien.

Du hast in Mossul studiert und musstest 2015 aus dem Irak nach Deutschland fliehen. Kannst du uns einen Eindruck vermitteln, wie es dir als Geflüchteten ergangen ist?

Oh, das ist eine lange Geschichte. Ich wollte mein Kunststudium weitermachen und als Fotograf arbeiten, aber das war in Mossul, das 2014 vom Daesch (arabisches Akronym für den „Islamischen Staat“, Red.) erobert worden war, nicht mehr möglich. Wir waren wirklich in Todesgefahr! Die Flucht brachte mich zuerst in die Türkei. Da habe ich lange gehockt und mir die Frage gestellt: Willst du Fischfutter werden oder ein neues Leben beginnen? Ich habe mich für ein neues Leben entschieden. Und dann bin ich viele, viele Tage lang unterwegs gewesen, mit dem Zug, im Auto, im Bus. Über die sogenannte Balkanroute, die heute geschlossen ist, bin ich schließlich nach Deutschland gekommen. Ich habe überlebt.

Wie bist du auf die FES aufmerksam geworden und was hat dich bewogen, dich um ein Stipendium zu bewerben?

Durch Freunde und Bekannte, die ich in Leipzig an der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) kennengelernt habe. Ich konnte dort mein Studium im Rahmen eines Projektes von Professor Rayan Abdullah wieder aufnehmen, ein Projekt speziell für Geflüchtete, die ihr Design-Studium unterbrechen mussten. Eine Freundin von mir hat mir von der FES erzählt, von der ich vorher noch nie gehört hatte, und mich darin bestärkt, mich dort um ein Stipendium zu bewerben.

Was rätst du anderen Geflüchteten, die sich bei der FES-Studienförderung bewerben wollen?

Sie sollten es einfach tun! Natürlich ist es mit Aufwand verbunden - die deutsche Sprache ist schwierig, man weiß manchmal nicht, welche Formulare und Nachweise jetzt verlangt werden… aber dafür hat man ja Freunde! Wenn man offen ist, diskutiert, Fragen stellt, dann kriegt man schon die Hilfe, die man braucht. Studierende mit Fluchterfahrung haben sich ganz andere Sachen trauen müssen! Nur Mut!

Raisan studiert Fotografie in Leipzig und ist FES-Stipendiat in der Grundförderung.

Abteilungsleiterin

Judith Illerhues

stv. Abteilungsleiter

Martin Johr

Kontakt

Friedrich-Ebert-Stiftung Studienförderung Godesberger Allee 149 53175 Bonn
 

Wir freuen uns, wenn Sie mit uns in den Austausch treten. Ihre Ansprechpersonen in der Abteilung Studienförderung finden Sie hier.

 

Seit über 90 Jahren unterstützen wir begabte junge Menschen während ihres Studiums.
Willkommen sind uns Bewerbungen aus allen Fachrichtungen. Eine diverse Stipendiat_innenschaft liegt  uns sehr am Herzen. Wir fördern Studierende und Promovierende, weil gesellschaftspolitisch engagierte junge Menschen für die Zukunft unserer Demokratie notwendig sind.

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